Peugeot 308 SW – Mut zur Lücke
Sven Jürisch
Peugeot kommt endlich wieder in Fahrt. Die Kombiversion des Golf Konkurrenten 308 ist dabei ein weiterer Baustein zum Erfolg.
Totgesagte leben länger. Das abgegriffene Sprichwort trifft bei Peugeot einmal mehr zu. Die klammen Franzosen sind seit einem Jahr wie wach geküsst aus dem bösen Traum der Designabenteuer der Vergangenheit und haben mit dem kleinen Peugeot 208 und dem Golf- Konkurrenten Peugeot 308 endlich wieder zwei Trumpfkarten im Programm. Eine Kombiversion des Golf Konkurrenten, der 308 SW, soll diesen Trend jetzt fortsetzen. Gefälliges Design, ohne den riesigen Kühlergrill von einst, und attraktive Technik soll die Kunden ab Ende April wieder in Scharen zu den Peugeot Händlern locken.
Mehr Auto braucht kein Mensch
Vordergründig ist allerdings auch der 308 SW zunächst nichts anderes, als ein weiterer Kombi in dem in Europa so beliebten C-Klasse Segment. Er trifft dabei auf etablierte Mitbewerber, wie den Opel Astra Caravan, den Ford Focus Turnier oder den Golf Variant. Klar, dass er in Sachen Größe (Länge 4,58 Meter) und Raumangebot dem entspricht, was in der Klasse üblich ist. Das Raumgefühl ist auf allen Plätzen dann auch wie erwartet gut, die Übersichtlichkeit passt und der Kofferraum taugt für mehr als nur einen Besuch im Supermarkt. Das Gepäckabteil gestaltet sich zudem höchst variabel. Dank bequemer Ferntentriegelung schnalzen die Elemente der Rückenlehne bei Bedarf vor und schaffen ein bis zu 1.660 Liter großes Abteil, in dem sich, dank einer völlig ebenen Fläche von rund 2,0 Metern Länge, zu Not auch übernachten lässt. Verzurren kann man seine Siebensachen auch, denn Peugeot liefert ein Aluschienen-System gleich mit. Was es dagegen nicht gibt, ist eine Netztrennwand zwischen Passagieren und Ladegut; eigentlich unverständlich bei einem Auto was sich Sicherheit ganz groß auf die Fahne schreibt und im Euro NCAP-Crashtest mit fünf Sternen die Höchstpunktzahl abräumt.
Kleiner Gernegroß
Alles an Bord, die Fahrt kann losgehen. Am Start der neue Wundermotor der Franzosen. Ein 1,2 Liter Turbo Benziner mit wahlweise 110 (Einsatz in Deutschland erfolgt später) oder 130 PS. Der geringe Hubraum schreckt zunächst angesichts des Wagengewichtes von immerhin 1.420 kg, doch die Überraschung folgt auf den ersten Gasstoß. Der Dreizylinder 12-Ventiler hängt munter am Gas, dreht lustig knatternd aber, dank separater Ausgleichswelle, niemals unangenehm laut hoch und liefert, man staunt nicht schlecht, tatsächlich Dampf in allen Lebensalgen. Im Stadtverkehr gibt es bereits knapp oberhalb der Leerlaufdrehzahl sattes Drehmoment und ist die Strecke frei, flutscht der Ganghebel munter durch die Gassen des gut abgestuften und leicht schaltbaren Sechsgang-Schaltgetriebes. Das macht Laune und animiert zusätzlich zur flotteren Gangart. Positiv: Der Mini-Motor knausert trotz der gebotenen Dynamik mit dem Sprit. Die Labormesswerte des Hersteller sind zwar im Alltag nicht zu erzielen, aber viel mehr als 4,9 Liter werden es wohl auch in Kundenhand nicht. Mithin auch ein Verdienst der guten Aerodynamik (cW 0,28) und der Stop&Start Anlage. Dass dem Peugeot der kleine Motor gut steht, beweisen auch die Messwerte; 12,6 Sekunden braucht er von 0-100 km/h und bei knapp 200 km/h endet der Vortrieb. Eigentlich genug, oder? Wem das nicht reicht, der wählt entweder den 1,6 Liter Vierzylinder-Benziner mit 156 PS oder einen der zahlreichen Dieselmotoren, bei denen der 2,0 Liter mit 150 PS eine gute Figur macht, sieht man einmal von der Antrittsschwäche im unteren Drehzahlbereich und dem anschließenden Leistungsüberfall auf die Vorderräder ab. Automatikliebhaber haben allerdings keine Wahl, denn Peugeot bietet derzeit ausschließlich diesen Motor mit einer 6-Stufen Wandlerautomatik zu einem Preis von 29.250 in der höchsten Ausstattungsversion an.
Hauptsache anders
Eigentlich alles in Butter für den 308 SW? Könnte man denken, doch leider erlaubt sich Peugeot im Innenraum eine stilistische Eigenart, die vermutlich Kunden der traditionellen Mitbewerber kaum nachvollziehen können. Ist das bereits im 208 eingeführte Tacho oberhalb des Mini-Lenkrades mit seinen gegenläufigen Anzeigen nach kurzer Eingewöhnung noch vertretbar, entpuppt sich die Bildschirmeinheit in der Mittelkonsole als sonderbare Technikvorführung mit geringem praktischen Nutzwert. Ohne Not hat Peugeot nämlich auch die Bedienung für die Klimaanlage in das nur mit einer Folientastatur ausgerüstete Gerät verbannt. Mit dem Erfolg, dass entweder Navigation oder die Heizungsregulierung eingeblendet wird, was bei einem Orts unkundigem Fahrer und einem temperaturempfindlichem Beifahrer für reichlich Zündstoff sorgt. Den gibt es aber auch, wenn man versucht eine Route mit mehreren Wegpunkten zu erstellen oder aber das Bluetooth-Handy anlernen möchte. Hinzu kommt, dass das Navi gelegentlich die Staatskasse mit Fahrempfehlungen für Einbahnstraßen aufbessern möchte oder sich die Bedieneinheit bei schräg einfallendem Sonnenlicht nur mühsam ablesen lässt. Insgesamt macht das in der Allure –Version serienmäßige Gerät keine Freude und andere Hersteller zeigen, dass so etwas deutlich komfortabler zu lösen ist, als bei Peugeot.
Preiswert ja, billig nein.
Doch trotz dieser unglücklichen Lösung überzeugt der 308 SW am Ende doch. Ist gar das Dynamik-Paket an Bord, mit dem das Gaspedal geschärft, die Lenkung direkter und der Sound sportlicher wird, spart man sich sogar den Sportwagen als Zweitwagen. All das kostet allerdings Geld, und das braucht Peugeot derzeit dringender denn je, will man mit weiteren überzeugenden Modellen aus der Krise fahren. Daher beginnt die Preisliste für den 130 PS Kombi mit durchaus selbstbewussten 20.450 Euro (Access-Version) und endet mit einigen schönen Dingen aus der Optionsliste bei rund 24.000 Euro. Der 2,0 Liter Diesel ist, da nur in der höchsten Ausstattung erhältlich, noch einmal rund 4.000 Euro teuerer Nicht gerade wenig für den smarten Gallier, doch eigentlich ok, will man dem Einerlei deutscher Anbieter entfliehen und einen eigenen Stil in der Kompaktklasse pflegen. Und das war ja schon immer etwas teuerer.
Fazit:Der neue 308 SW ist insbesondere mit seinem kleinen Dreizylindermotor ein echter Tausendsassa. Sparsam, praktisch und endlich wieder mit einem gewissen Schick, macht er Hoffnung auf die neue Peugeot-Linie. Bleibt zu hoffen, dass der 308 SW keine Eintagsfliege im Programm der angeschlagenen Franzosen ist.